Entscheidungspartien I
Die 10. Partie des Weltmeisterschaftskampfer Laskers vs. Schlechter, im Jahre 1910, war vermutlich die wichtigste Partie in Laskers Karriere. Einmal mehr erwies sich der Weltmeister als ein hartnäckiger Kämpfer, der es verstand, in schwierigen Situationen über sich hinaus zu wachsen, noch eine Schippe drauf zu legen, um das scheinbar schier Unmögliche zu erreichen.
Nachdem er in der vierten, fünften und neunten Partie, diverse Chancen die Partie zu gewinnen nicht genutzt hatte und zudem zu allem Überfluss die 5. Partie noch verloren hatte, durfte er, um den Titel zu behalten, die letzte Partie, in einem über 10 Partien angesetzten Weltmeisterschaftskampf, nicht verlieren. Bevor Sie sich fragen ob Sie richtig lesen, sei daran erinnert, dass Lasker seiner Zeit aufgrund der Unwägbarkeiten, die ein solcher Wettkampf über 10 Partien bietet, mit seinem Gegner ausgehandelt hatte, dass sein Gegner mit 2 Punkten Vorsprung gewinnen müsse, um Weltmeister zu werden.
Wenn man sich vor Augen führt, dass Lasker stets in einer zweiten Turnierhälfte, nach in aller Regel mäßigem Start, zu ganz großer Form auflief, so kann man sich sicherlich vorstellen, dass Lasker bei längerer Wettkampfdauer z. B. den ursprünglich angedachten 30 Partien, den Zugang zum vermeintlichem Problem Schlechter gefunden hätte. Doch alles Lamentieren half jetzt nicht, denn der über 10 Partien angesetzte Wettkampf hatte vor Beginn der letzten Partie, Stand 5:4 für Schlechter, eine klare Ausgangslage. Verliert Lasker die Partie, verliert er seinen Titel, verliert er die Partie nicht, bleibt er Weltmeister.
Die Presse beschrieb seinerzeit diesen denkwürdigen Tag wie folgt:
„Auf der einen Seite saß Lasker mit blassem Gesicht und zusammengekniffenen Augen. Er wirkte angespannt, konnte sich nicht ruhig halten und strich sich ständig mit der Hand durch die Haare…. Ihm gegenüber saß der kleine, auf dem ersten Blick eher unscheinbare Schlechter mit offener, hoher Stirn. Er hatte eine Zigarette in der Hand und wirkte sehr kalt in jeder seiner Bewegungen.“
Ich wünsche viel Spaß beim Studium der Partie!
Entscheidungspartien II
Anatoli Karpov war als Weltmeister der unangefochtene Champion der Jahre 1974 bis 1985. Auch den 1. WM-Kampf (1984/1985) mit seinem Dauer-Rivalen Garry Kasparov kontrollierte er nach Belieben und führte in einem teilweise sehr zähen Ringen mit 5:0, ohne dass der alles entscheidende 6.Sieg zu Stande kam. Ähnlich wie 6 Jahre zuvor, ließen bei ihm die Kräfte nach und Kasparov kam auf 5:3 heran, bevor der damalige FIDE-Präsident den Kampf der Giganten nach 48 Partien abbrach, um, so die offizielle Version der FIDE, die Gesundheit der Spieler zu schützen.
Die Neuauflage im Herbst 1985 wurde über 24 Partien angesetzt und ausgespielt. Vor der letzten Partie lag Karpov als amtierender Weltmeister mit einem Punkt zurück und musste unbedingt gewinnen, um den Titel zu behalten. Er verlor und die Schachwelt hatte einen neuen Weltmeister.
Beim Revanche-Kampf ein Jahr später, seinerzeit noch ein übliches Bewährungsritual für einen entthronten Weltmeister, verlor Karpov die 22. Partie und konnte das Blatt in den letzten beiden Partien nicht mehr wenden, der Endstand lautete 12,5 : 11,5 zugunsten von Kasparov.
Die 4. Auseinandersetzung der beiden großen K`s im Jahr 1987 zeigte einmal mehr beide Konkurrenten auf Augenhöhe. Nach 22 Partien stand es 11:11 unentschieden und ein Sieger war nicht auszumachen. Dann die große Überraschung bei der 23. Partie. Nach wechselhaften Kampfverlauf opferte Kasparov in beiderseitiger hoher Zeitnot im 50. Zug spekulativ einen Turm, zu seinem Leidwesen fand Karpov die richtige Zugfolge. Noch bevor der Ex-Weltmeister seinen Abgabezug für die 2. Partievertagung notieren konnte, gab Kasparov die Partie auf. Die Chance für Anatoli Karpov, den 2 Jahre zuvor verlorenen Titel zurück zu holen, war nun sehr groß.
Die Fragen für die Beobachter vor Beginn der 24. und letzten Partie bei der Veranstaltung in Sevilla lauteten nun, würde der junge Champion dem Druck standhalten und welche Partieanlage würde er wählen, um einerseits zu gewinnen und damit andererseits den Titel ein zweites Mal erfolgreich zu verteidigen.
Ich wünsche viel Spaß beim Studium der Partie!